Phytotherapie: Sumatra-Orang-Utan beherrscht traditionelle Medizin

Der Sumatra-Orang-Utan "Rakus" beherrscht mehr als die Basics der Phytotherapie: Einem internationalen Team um die MPG-Wissenschaftlerin Isabelle Laumer gelang die erste systematische Dokumentation der aktiven Wundbehandlung mit einem biologisch aktiven Pflanzenstoff bei Menschenaffen.

Die in "Nature" publizierte Arbeit belegt nicht nur das Können des Primaten - sie zeugt auch vom Staunen der Forschenden während der gemachten Fotos.

"Wir beobachteten einen männlichen Sumatra-Orang-Utan (Pongo abelii), der sich eine Wunde im Gesicht zugezogen hatte", schreibt das Team um MPI-Forscherin Isabelle Laumer, und:

"Drei Tage nach der Verletzung riss er selektiv Blätter einer Liane mit dem gebräuchlichen Namen Akar Kuning(Fibraurea tinctoria) ab, kaute darauf herum und trug den daraus resultierenden Saft wiederholt auf die Gesichtswunde auf. Als letzten Schritt bedeckte er die Wunde vollständig mit den gekauten Blättern. Diese und verwandte Lianenarten, die in den tropischen Wäldern Südostasiens beheimatet sind, sind für ihre schmerzlindernde, fiebersenkende und harntreibende Wirkung bekannt und werden in der traditionellen Medizin zur Behandlung verschiedener Krankheiten wie Dysenterie, Diabetes und Malaria eingesetzt".

Frühere Analysen der chemischen Verbindungen der Pflanze hätten gezeigt, das die Blätter Furanoditerpenoide und Protoberberin-Alkaloide enthalten. Diese stellen ein wahres Arsenal an therapeutischen Eigenschaften dar: Sie sind antibakteriell, entzündungshemmend, pilzhemmend, und antioxidativ.

Ohnehin verfügten die Pflanzen auch "über andere biologische Aktivitäte, die für die Wundheilung von Bedeutung sind". Dieses "möglicherweise innovative Verhalten" stelle den ersten systematisch dokumentierten Fall einer aktiven Wundbehandlung mit einer Pflanzenart dar, von der bekannt sei, "dass sie biologisch aktive Substanzen enthält, die von einem Wildtier stammen, und bietet neue Einblicke in die Ursprünge der menschlichen Wundversorgung".

Beachtlich ist nicht nur die Kenntnis der richtigen Pflanzenart, sondern auch die eisern durchgehaltene Compliance. Denn Rakus, so der Name des mittlerweile weltberühmten Tiers, hielt die selbstverordnete Medikation eisern durch, wie die Studie weiter attestiert:

"Rakus war vom 22. Juni (dem Tag, an dem diese frische Wunde zum ersten Mal festgestellt wurde) bis zum 26. Juni, vom 28. bis zum 30. Juni, am 5. Juli, am 19. Juli und am 5. August 2022 eine Schwerpunktperson. Die Daten zur Wundbehandlung wurden am 25. Juni 2022 erfasst und in den Anmerkungen auf den Datenblättern ausführlich beschrieben".

Innerhalb von zwei Monaten verheilte Rakus' Fleischwunde vollkommen, wie die im Journal publizierten Fotos belegen. 


Original Paper:

 

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Isabelle Laumer ist promovierte Primatologin und Kognitionsbiologin. Sie hat in den letzten zehn Jahren intensiv Menschenaffen und Goffin-Kakadus an der Universität Wien, Österreich, am Max-Planck-Institut in Leipzig, an der University of California Los Angeles, USA, und am Max-Planck-Institut für Tierverhalten in Konstanz untersucht. Foto/Courtesy of: Dr. Isabelle Laumer/MPG

Isabelle Laumer ist promovierte Primatologin und Kognitionsbiologin. Sie hat in den letzten zehn Jahren intensiv Menschenaffen und Goffin-Kakadus an der Universität Wien, Österreich, am Max-Planck-Institut in Leipzig, an der University of California Los Angeles, USA, und am Max-Planck-Institut für Tierverhalten in Konstanz untersucht. Foto/Courtesy of: Dr. Isabelle Laumer/MPG